Da in den Niederlanden Deutschlehrer gesucht sind, habe ich überlegt, ob das etwas für uns als neue “Berufung” sein könnte.
Um einen ersten Eindruck zu bekommen, wie hier (in NL) Deutsch gelehrt wird, habe ich mal in das Schulbuch / Übungsbuch von unserem Sohn geschaut. Mich hat fast der Schlag getroffen. Bei vielen Übungen muss ich als Deutscher erstmal gut überlegen was eigentlich gemeint / gewollt ist. Und ich muss gestehen, dass ich die Methodik eine Katastrophe finde.
Ich hab’ jetzt nur ein paar Übungen angesehen, aber zum Beispiel sollen einzelne Wörter übersetzt werden, wie z. B.
“wie”
Da muss ich selbst erstmal tief Luft holen und überlegen – gerade auf Grund der vielen falschen Freunde ist das eine sehr schwierige und vor allem nicht praxisgerechte Übung.
Es ist mir doch egal was “wie” auf Deutsch heißt. Das braucht man nie im Leben. Jetzt wird jemand antworten. Doch, selbst das kleine Wörtchen “wer” kann alleine vorkommen, wenn z. B. in irgendeinem Gespräch jemand nachfragt: “Wer?” (z. B. “Der Klaus hat das getan!” “Wer?” – als kurze Nachfrage formuliert. Aber genau das ist der Punkt. Dann ist das Wort schon in einem Kontext. Wieso werden in Sprachlehrbüchern irgendwelche Wörter alleine abgefragt oder teilweise sogar vermittelt / geübt / getestet.
Ich bin kein Sprachwissenschaftlicher, aber denke dass das eigentlich Unfug ist, da Wörter immer in irgendeinem Kontext stehen – und dieser auch immer relevant oder sogar sehr relevant ist! Einzelne Wörter lernen, bedeutet im Endeffekt nicht zu wissen wie / wo / wann man die wirklich gebrauchen muss. Zudem kann alles – also auch Wörter – leichter behalten werden, wenn es sich an etwas anderem “festklammern” kann. Das trifft auch für Wörter zu!
An anderer Stelle werden verschiedene Sätze gezeigt. Manche der Sätze haben einen Fehler, manche keinen. Aufgabe der Schüler ist es die fehlerhaften Sätze herauszufinden und ggf. zu korrigieren. Z. B.:
“Wohin wohnst du?”
Ich kapiere nicht, wie man Schülern falsche Sätze präsentieren kann, wenn man ihnen etwas korrekt beibringen will. Das ist doch Unfug. Kein Klavierlehrer spielt einem Schüler Stücke falsch und richtig vor und fragt dann was korrekt war, sondern man übt richtiges. Dazu übt man zum einen langsam und zum anderen in kleinen Einheiten. Das ist, wie man etwas neues lernt und nicht indem man falsche Vorbilder gibt / abfragt.
Ist das der Stand 2018, wie man Sprachen unterrichtet!?
Jedes Kleinkind lernt prima Sprachen – das geschieht nach komplett anderen Gesetzmäßigkeiten… Und soooo schlecht kann die Methode, wie wir kleinen Kindern die Sprache beibringen nicht sein, da schließlich Millionen erfolgreich die Sprache mehr oder weniger perfekt beherrschen lernen! Es bleibt keiner außen vor (stärkere Behinderungen usw. ausgenommen). In einer Schule ist das nicht der Fall – da werden einige mit dem Deutschunterricht einigermaßen klar kommen – die anderen (meisten!?) sind nur froh, wenn das Pflichtfach schnell vorbei ist!
Ich hab’ NL mit Assimil gelernt, was nach meiner Erfahrung extrem gut für die beiden naheliegenden Sprachen Deutsch und Niederländisch funktioniert. Da ist mir genauso wie jedem Kleinkind Grammatik oder Vokabellernen ein Fremdwort und man lernt einfach natürlich anhand von Alltagsdialogen in so kleinen Häppchen, dass man es oft fast kaum merkt. Und schwupps, kann man schon alles mögliche sagen und verstehen! Sicher hat man dann keine Perfektion, aber die bekommt man – wie auch als Muttersprachler, wie als Pianist und in jedem anderem Fach, nur durch Übung / Gebrauch über einen längeren Zeitraum von mindestens 2 bis 3 Jahren bei intensiver Beschäftigung, bzw. noch länger, wenn man sich der “Perfektion” noch weiter nähern will.