Bevrijdingsdag: Ich hatte bisher noch nicht über diesen Feiertag nachgedacht, aber habe dies nun getan. Ehrlich gesagt finde ich solche Art der “Feiertage” sehr zwiespältig. Natürlich kann ich verstehen, dass man das Ende des Krieges feiern wollte. Heute finde ich das allerdings in großem Maße unpassend. Fast keiner der heute noch lebt hat wirklich etwas mit dem Krieg zu tun gehabt. Meine Eltern waren noch kleine Kinder zu Kriegszeiten. Meine Mutter erinnert sich noch an die Bombenangriffe und für sie war schlimm, dass ihre Puppenkinderwiege geopfert werden musste, um Reparaturen am Haus durchzuführen. Das Holz wurde einfach gebraucht, um Kriegsschäden auszubessern. Wir selbst waren zu Kriegszeiten noch lange nicht geboren und unsere Kinder – an die hat man noch nicht einmal gedacht…
Wenn man weiter solch einen Feiertag wie den Bevrijdingsdag pflegt, so kann das sehr positiv sein, wenn es darum geht zu erinnern wie unnötig Kriege sind und dass letztlich immer die Bevölkerung bezahlt, wenn “die Oberen” einen Krieg anzetteln. Und natürlich kann und soll man der Toten gedenken, die in einem unnötigen Krieg gefallen sind. Und jeder Krieg ist unnötig. Auch wir haben in der Familie Tote zu beklagen. Mein Vater und seine Brüder sind großenteils ohne Vater aufgewachsen, da dieser zuerst im Krieg war und später dann an den Folgen von Kriegsverletzugnen sehr früh gestorben ist. So habe auch ich meinen Opa nie kennen lernen können, da dieser schon lange tot war, als ich geboren wurde.
Meiner Meinung nach sollte die Bedeutung der ganzen Thematik heute sein, dass man sich bewusst macht, wen man wählen sollte und wen auch nicht – ich nenne keine Namen oder Parteien, aber auch heute gibt es welche, die einem Krieg sicher näher stehen als andere und sehr offensichtlich auch Parteien, die nationalsozialistische Tendenzen aufweisen (überall auf der Welt, nicht nur in Deutschland oder den Niederlanden!). Die Wichtigkeit darauf hinzuweisen und zu erinnern, dass eben keine Nation besser als eine andere ist, das ist heute ebenso wichtig wie zu vielen Jahrhunderten zuvor!
Zum Thema des “Bevrijdingsdag” so spricht es meiner Meinung nach allerdings Bände, wenn in den Niederlanden deutschstämmige Kinder wiederholt mit “Hitler” betituliert werden! So denke ich, dass ein Erinnern an die Folgen des Krieges wohl nicht überall oder immer in der passenden Form stattfindet. Unsere Kinder haben sich entsprechend beschimpft nicht gut gefühlt und ehrlich gesagt fehlen mir da die Worte und es ist wirklich schwierig den Kindern zu empfehlen, was sie tun oder antworten sollen, wenn andere Kinder solche blöden Sprüche von Fahrradklauen oder Nazitum um sich werfen! Ziemlich sicher haben diese niederländischen Kinder, die solche Beschimpfungen benutzen, keine Ahnung, was der Krieg wirklich bedeutet hat. Es deutet aber auf ein Fehlen von einem sensiblen Umgang in der eigenen Familie oder Schule mit dem Thema Völkerunterschiede / Menschlichkeit hin.
Uns hat man in Deutschland im Geschichtsunterricht sehr nachdrücklich beigebracht, wie schlimm das Dritte Reich, d.h. der Nationalsozialismus, war und dass so etwas auf keinen Fall mehr passieren darf. In anderen Ländern, wie auch hier in den Niederländern, fände ich einen passenden Unterricht, der Nationalsozialismus anprangert und auf die Unsinnigkeit von Kriegen und das Leiden aller beteiligten Völker hinweist, ebenso wichtig. Hier in den Niederlanden im Geschichtsunterricht wird viel über die V.O.C. gelehrt. Zum Glück wird dabei auch deutlich gemacht, dass die Überfälle und Eroberungen der Länder und die Sklavenhaltung nicht in Ordnung waren! Was nicht oder wohl nicht deutlich genug geschieht, zumindest hier im Unterricht bei unseren Kindern, ist die Beziehung zum Nationalsozialismus und jeglicher Form von “sich über andere erheben wollen” aufzuzeigen. Unsere Kinder beschimpfen übrigens die holländischen Kinder nicht als “Zimträuber” oder Sklaventreiber.
Der in den Niederlanden als “Goldene Zeitalter” benannte Zeitabschnitt begründet sich letztlich auf einem blühenden Handel, der allerdings seinen Ursprung in dem gewaltsamen Eindringen auf anderen Kontinenten hatte! So gibt es von den Nationen, speziell den größeren, sehr wenige die nicht irgendwann in Ihrer Geschichte Unrecht auf andere Länder und Völker ausgeübt haben.Ich finde es daher extrem traurig und unpassend, wenn irgendwer andere auf Grund der Handlungen von dessen Vorvätern verurteilt!
Übrigens waren wir kürzlich in Naarden. Dort haben wir uns die beeindruckende Festung angeschaut:

Der Besuch in Naarden war sehr interessant, aber als wir zu Hause waren, habe ich den Kindern gesagt, dass das beeindruckende Bauwerk eigentlich sehr traurig ist, da es aufzeigt, dass auch früher die Menschen nicht in Frieden gelebt haben. Aktuell läuft der Antrag darauf, dass Naarden auch mit in die Liste der Unesco von Weltkulturerben aufgenommen wird. Ist das nicht extrem traurig, da das doch eigentlich aussagt, dass zu “unserer Kultur” der Krieg dazu gehört!? Eigentlich sollte man solche Bauwerke nicht in einer Liste von “Welterbe” aufnehmen, sondern eine Liste mit “Mahnmalen”.
Nachdem ich das hier geschrieben habe, so denke ich, dass ich mal einen Brief schreiben sollte. Schreibt man da eher dem König oder addressiert die Politik? Ein öffentlicher Brief wird vielleicht – wobei vermutlich auch nicht – Aufmerksamkeit finden, aber ich fürchte, wenig an der Situation ändern.
Ich selbst bin übrigens als Deutscher nicht negativ in den Niederlanden behandelt worden. Mir wurde sogar gesagt, dass Deutsche ja nicht Ausländer in dem Sinne seien – indirekt wurde zum Ausdruck gebracht, dass Marokkaner und andere ethnische Gruppen das sehr wohl sind. Und ehrlich gesagt sind sehr wenige Menschen wirklich frei von Vorurteilen. Ich selbst habe von mir immer gedacht, dass ich keine Vorurteile hätte. Das ist / war auch von meinem Bewusstsein her der Fall. Allerdings habe ich mich dann irgendwann einmal ertappt, dass ich auch auf Grund der Hautfarbe von jemand tendenziell kritischer gedacht hatte und war über mich selbst erschrocken!
Sehr interessant war der folgende Praxistest vor ein paar Jahren, bei dem nach Vorurteilen geschaut wurde:
Ein Feiertag sollte daher meiner Meinung nach nicht den Fokus auf die “Befreiung” (von wem auch immer) legen, sondern sollte umbenannt werden in einen Tag für Menschlichkeit, Gleichstellung und Völkerfrieden!